Heute Morgen habe ich ihn getroffen – den Sensenmann.
Einen Termin hatte ich mit ihm nicht, aber plötzlich war er da. Schon von Ferne hörte ich die für mich unerträgliche, ja schmerzhafte Geräuschkulisse – eine untrügliche „Begleitmusik“ seines Erscheinens. In mir zog sich alles zusammen, Gänsehaut. Leider nicht die Gänsehaut der wunderbaren Momente, sondern die der unbarmherzigen. >>
Sofort eilte ich ans große Küchenfenster, um zu sehen, wo er sein unheilvolles Raspelwerk betreiben würde. Noch war er auf der gegenüberliegenden Seite des Parks, schon dabei, die Ränder „nachzubessern“ – obwohl dort erst vor wenigen Wochen gesenst und gemäht worden war.
Ich konnte und wollte es nicht glauben. Empörung stieg in mir auf, eine Empörung, die kein Zusehen mehr zuließ. Also machte ich mich straßentauglich: Schuhe, Cap, die Schutzbrille, die ich ohnehin meist trage – sehr empfehlenswert, weil sie den Feinstaub fernhält.
Als ich unten war, kam er mir fast schon entgegen, nun auf unserer Straßenseite, und sensete, wo es nichts zu sensen gab – ein paar Halme vielleicht, die in den Gehweg ragten. Und ich sage es gleich: Mit dem Spruch „Der macht doch nur seinen Job“ wird mich niemand mehr beeindrucken. Die Zeit ist vorbei, Dinge einfach laufen zu lassen, wenn mindestens ein klares Statement nötig wäre.
Ich hatte keinen Boxkampf gesucht, auch wenn es so klingt. Das Gefühl, zur Not auch körperlich die schutzlose Natur zu verteidigen, war spürbar. Aber Gewalt ist keine Option. Also stand ich da, fast direkt neben ihm, und beobachtete entspannt sein Tun.
Ich kannte ihn – er mich vermutlich auch noch. Vor längerer Zeit hatten wir schon einmal gestritten: Damals war er Traktorfahrer, ich bat ihn damals eindringlich, nur dort zu mähen, wo Menschen direkt betroffen waren – Gehwege, Sitzbänke, Ähnliches. Kein freundliches Gespräch.
Und nun stand ich wieder da wie ein Mahnmal. Prompt hielt er inne:
„Hast du ein Problem?“
Wenn man einigermaßen im Hier und Jetzt lebt, findet man die passende Antwort. Ich dachte nicht lange nach und sagte sofort:
„Ich nicht …“
Nach einer gefühlten Ewigkeit von fünf Sekunden wiederholte ich:
„Ich nicht …“
Das muss ihm die Sprache verschlagen haben – denn was soll man darauf erwidern? Der naheliegende Schluss, dass vielleicht er ein Problem hat, lag in der Luft.
Ich verließ meinen Beobachtungsposten erst, als er hinter der Straßenecke verschwunden war.
Und ich bin mir sicher, dass ein gutes Stück des von mir mit Gießkanne gepflegten Straßenrandabschnittes vor dem Sensenmann verschont blieb.
Das gibt ein gutes, ein sehr gutes Gefühl und ist reicher Lohn für meinen Einsatz.
lgchr 🍀🙂